Blu-ray-Rezension: “Die fliegende Guillotine 3“

Auf Geheiß des Kaiser wird ein hoher Beamter mitsamt seine Familie und Bediensteten ermordet. Dieser hatte Beweise entdeckt, die den Monarchen mit einer Reihe von Terroranschlägen in Verbindung bringen, bei denen die gefürchtete „Fliegende Guillotine“ zum Einsatz kam. Die Frau des Beamten, Yung Chiu-Yen (Chen Ping), war allerdings zu diesem Zeitpunkt außer Haus und muss nun um ihr Leben fliehen. Verantwortlich für den Mord war der Vertraute des Kaisers: Chin Kang-Feng (Lo LIeh). Dieser verschwiegt dem Kaiser, dass es eine Überlebende gab und versucht nun diese im Verborgenen zu töten. Deshalb schickt er seine drei Kinder los, um Yung Chiu-Yen zu verfolgen und umzubringen. Was sie nicht wissen, Yung Chiu-Yen ist selbst eine bestens ausgebildete Kämpferin, die sich mit Hilfe eines ehemaligen Mitschülers, Wang Chung (Yueh Hua), und eines abtrünnigen Mitglieds der Fliegenden Guillotinen, Ma Shen (Norman Chu) der Attacken zunächst erwehren kann.

Die fliegende Guillotine ist vielleicht die bekannteste Mordwaffe, die man mit den Martial-Arts-Filmen der 70er Jahre verbindet. So spielte sie nicht nur in DIE FLIEGENDE GUILLOTINE 3 (der lediglich in der deutschen Fassung die fliegende Guillotine auch im Titel erwähnt), sondern natürlich auch in den zwei Vorgängern, in Jimmy Wang Yus Wundertüte DUELL DER GIGANTEN (auf Englisch dann „Master of the Flying Guillotine“) und nicht zuletzt in Quentin Tarantions KILL BILL VOL. 1 eine bemerkenswerte Rolle. Warum auch nicht? Eine seltsame, Hut-ähnliche Vorrichtung, die von geheimnisvollen Killern mit einem zielgenauen Wurf auf dem Haupt eines unglückseligen Opfers platziert wird und dieses mit einem kräftigen Ruck vom Körper trennt – das ist schon recht gruslig und spektakulär. Dieser inoffizielle dritte Teil hier trägt im Original den Titel „The Vengeful Beauty“ und hat eine recht chaotische Produktionsgeschichte, welche im Booklet zum Film näher beleuchtet wird.

Das Chaos bemerkt man, denn der Auftakt steht in keinem besonderen Zusammenhang zum Rest, und Figuren tauchen auf und verschwinden wieder kommentarlos. Vom Haupt-Antagonisten hört man später auch nichts mehr. Man hat das Gefühl, als wäre hier ein Film konzipiert und dann während des Drehs ein zweiter draus geworden. Oder man habe die Überreste eines nicht fertiggestellten Filmes mit einem neuen Drehbuch zusammengeklebt. Dies hält einen aber nicht davon ab, großen Spaß mit DIE FLIEGENDE GUILOTTINE 3 zu haben.

Die titelgebende Mordmaschine kommt allerdings nur in wenigen Szenen zum Einsatz und am Ende dann gar nicht mehr. Dafür hat sich Regisseur Ho Meng-Hua zahlreiche andere schräge Tötungsinstrumente ausgedacht. Wie zum Beispiel Suppenschüsseln (!). Und viel Zeit zum Nachdenken hat man sowieso nicht, denn die Laufrichtung des Filmes geht stramm nach vorne. Im Grunde muss unsere Heldin nur von Punkt A nach Punkt B gelangen und auf diesem gradlinigen Weg werden ihr ständig Knüppel in Form von mörderischen Attentätern zwischen die Beine geworfen. Was dann von Kampfszene zu Kampfszene führt.

Hauptdarstellerin Ping Chen ist zu diesem Zeitpunkt vor allem eine Darstellerin in sexy Komödien gewesen und eben keine Angela Mao oder Cheng Pei-Pei. Sie macht die Sache aber mit ihren begrenzten Möglichkeiten recht ordentlich. Und Ho Meng-Hua versteht es, auch diese Kämpfe durch diverse Verrücktheiten unterhaltsam zu inszenieren. Höhepunkt hier ist sicherlich ein Kampf in den Yin Yin Shaw involviert ist, und den sie barbusig zu bestreiten hat. Was einerseits nicht unbedingt nötig gewesen wäre und sehr schmierig und exploitiv ist – andererseits aber auch parodistisch wirkt, da dies hervorragend alle Klischees, die man 70er Jahre Kung-Fu-Filmen entgegenbringen könnte, bestätigt.

Regisseur Ho Meng-Hua ist bekannt für seine Horrorbeiträge bei den Shaw Brothers. Wie beispielsweise den ebenfalls bei filmArt in der Shaw Brothers Collection erschienenen DAS OMEN DES BÖSEN, dessen „Fortsetzung“ BLACK MAGIC, PART II oder THE OILY MANIAC. Hierzulande am bekanntesten dürfte sein „King Kong“-Rip-Off DER KOLOSSS VON KONGA sein, in welchem die Schweizerin Evelyne Kraft die Hauptrolle spielte. Dies zeigt schon Ho Meng-Huas Gespür für das Schräge, was auch in seine Martial Arts-Filme wie den hier vorliegenden, aber auch den ursprünglichen DIE FLIEGENDE GUILOTINE oder sein überaus beleibter DER TODESGRIFF DES SHAOLIN gehören.

Hauptdarstellerin Ping Chen war zwar ein großer Sex-Star in Hongkong, hier gibt sie sich allerdings eher bedeckt. In den wenigen Szenen, die Nacktheit hätten rechtfertigen können, wird sie überraschend züchtig von der Kamera eingefangen. Dafür darf/muss dann, wie oben bereits erwähnt, Yin Yin Shaw blankziehen. Die männlichen Helden sind häufig gesehene Gesichter in Shaw-Brothers-Produktionen, aber keine Superstars. Norman Chu (alias Hsu Hsioa-Cheng), der einen ehemaligen Guillotinen-Killer spielt, war zumeist die zweite Geige neben den eigentlichen Stars. Yueh Hua, der einen ehemaligen Mitschüler von Ping Chen darstellt, war ebenfalls mehr auf Nebenrollen abonniert.

Größter Name im Ensemble ist Lo Lieh, der sich zu dieser Zeit schon auf die Rolle des Bösewichts spezialisiert hatte. Dabei war er einst der Vorgänger von Bruce Lee, denn er spielte den Helden in der ersten Shaw-Brothers-Produktion, die auch in den USA ein Erfolg wurde: ZHAO – DER UNBESIEGBARE. Dieser wurde dort als „Five Fingers of Death“ von Warner Brothers vertrieben und startet eine ganze Welle von Kung-Fu-Filmen, was schließlich dazu führte, dass Warner mit DER MANN MIT DER TODESKRALLE ihren ersten eigenen Kung-Fu-Film produzierten. Und wie immer ist Lo Lieh auch in DIE FLIEGENDE GUILOTTINE 3 eine Bank.

Aufgrund der Schwierigkeiten in der Produktion, auf die Nando Rohmer in dem interessanten Booklet dieser Veröffentlichung eingeht, ist das Drehbuch ein ziemliches Durcheinander, welches die im Grunde simple Story verkompliziert, aber dadurch auch gleichzeitig interessant macht. Da macht es dann nicht viel aus, dass viele Szenen so wirken, als gehörten sie nicht unbedingt zusammen, und am Ende noch mehr Haken geschlagen werden, als es ein Hase auf der Flucht tut. Nicht alle unbedingt logisch nachvollziehbar.

Ein Novum dürfte es darstellen, dass die Heldin schwanger ist und sich deshalb beim Kämpfen zurückhalten müsste. Was selbstverständlich eine gute Entschuldigung für Ping Chens nicht so ausgeprägten Kampfkünsten. Zudem gibt es zum Ende hin einige brutal-bittere Wendungen, die man so auch nicht unbedingt hätte, kommen sehen. Wobei die Frage gestattet sein darf, ob der Autor des Drehbuchs, On Szeto – ein Vielschreiber, der auch für den hervorragenden DER GNADENLOSE VOLLSTRECKER (auch in der filmArt Shaw Brothers Collector’s Edition) verantwortlich war -, das auch von Anfang an so geplant hatte oder einfach während des Drehs schnell eingebaut wurde. Diese Frage ist aber für den hohen Unterhaltungsfaktor des Filmes auch unerheblich.

Das Bild der Blu-ray hält die hohen Erwartungen, die man an die Shaw Brothers Collector’s Editionhat. Der Ton liegt in Mandarin und auch in Deutsch (in zwei unterschiedlichen Mixen) vor. Diese Synchro wurde scheinbar anlässlich der Erstveröffentlichung des Films 2018 durch das österreichische Label Shock Entertainment produziert. Dafür klingt die Synchronisation recht gut und könnte auch von einer alten VHS-Synchro stammen. Wenn auch die Sprecher allesamt eher unbekannt sind. Die Extras sind wie immer überschaubar. Allerdings besteht das Booklet diesmal nicht aus alten Kinoaushängen, sondern einem informativen Text von Nando Rohmer über die „Fliegende Guillotine“-Filme und den widrigen Umständen der Produktion.

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Blu-ray-Rezension: „Harley Riders – Sie kannten kein Erbarmen“

Aldo (Joe Dallesandro) ist ein kleiner Zigaretten-Schmuggler. Als er beim Verticken der Ware in seine eigene Tasche wirtschaftet, wird er dafür von der Bande des Neapolitaner Gangsterchefs Don Enrico (Raymond Pellegrin) zusammengeschlagen, seine geliebte Harley verschrottet und er selbst aus der Stad gejagt. Auch sein nächster Coup endet katastrophal, als er von einem schmierigen Auftraggeber übers Ohr gehauen wird und sich unwissend wieder mit Don Enrico anlegt. Dies kostet seinem einzigen Freund das Leben. Aldo sinnt auf Rache und beginnt sich selbst eine schlagkräftige Bande zusammenzustellen und Don Enrico Konkurrenz zu machen.

Die deutsche Titelschmiede führt einen zunächst auf eine falsche Spur. HARLEY RIDERS – SIE KANNTEN KEIN ERBARMEN hat weder etwas mit einer Rockerbande zu tun (d.h. indirekt vielleicht schon, aber nicht in der Art und Weise, wie man es aus dutzenden sogenannten Biker-Movies kennt) – noch spielt es im Rennzirkus (auch wenn es hier eine spektakuläre Szene während mit einem Motorcross-Rennen gibt). HARLEY RIDERS heiß im Original „L’ambizioso“ und in der englischen Übersetzung „The Climber“. Es handelt also um jemanden, der große Ambitionen hat und in den Rängen der Mafia aufsteigt.

Dieser Aufstieg findet recht rasant statt, da das kleine Licht Aldo schnell seine eigene Bande gründet und damit in Konkurrenz zu Don Enrico, dem Unterweltchef von Neapel tritt. Dies ist nur möglich, da Aldo weder Angst noch Respekt und vor allem keine Skrupel kennt.

Andy-Warhol-Entdeckung Joe Dallesandro passt hervorragend in die Rolle des Aldo. „Little Joe“ wirkt trotz seines guten Aussehens immer etwas schmierig und aus der Gosse kommend. Dallesandro hielt sich seit seinen Rollen in ANDY WARHOLS FRANKENSTEIN (Flesh for Frankenstein) und ANDY WARHOLS DRACULA (Blood for Dracula) in Europa auf, wo er in Frankreich und vor allem Italien vor die Kamera trat. Gerade in Italien hatte er diverse Hauptrollen, wie beispielsweise in Vittorio Salernos zynisch-brutalem Meisterwerk DIE GRAUSAMEN DREI (Fango bollente). Dallesandro ist kein klassisch ausgebildeter Schauspieler. Eher jemand, der instinktiv aus dem Bauch heraus agiert und eher unter- als überagiert. Auch hier schleicht und schlurft er durch den Film, nur um in plötzlichen Gewaltexzessen zu explodieren. Sein Stil erinnert an Klaus Kinski, der ebenfalls häufig wie desinteressiert vor der Kamera herum lümmelt, aber gerade dadurch die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auch Dellesanadro hat diese Präsenz und bildet völlig unangestrengt den Blickmagneten des Filmbildes.

Regisseur Pasquale Squitieri hat als Regieassistent beim großen Francesco Rosi gelernt. Viele seiner Filme beschäftigten sich gerade in seiner frühen Karriere mit den gesellschaftlichen Missständen in seinem Heimatland, und er bezeichnete sich als überzeugten Kommunisten. Dass er sich 1994 für eine postfaschistische Partei in den Senat wählen ließ, passt da nicht recht ins Bild. Doch solche „Karrieren“ sind auch in anderen Ländern leider nicht ungewöhnlich. Als er 1974 HARLEY RIDERS dreht, war von diesen Tendenzen noch nichts zu spüren. Squitieri hat einen strengen dokumentarischen Blick auf die Stadt Neapel und deren in der sozialen Unterschicht lebenden Bewohnerinnen und Bewohner. Hier wird nichts beschönigt. Squitieri führt vom Leben gezeichnete Gesichter vor. Wenn Aldo am Anfang geschmuggelte Zigaretten an eine Prostituierte verkauft, hat dies nichts von Erotik oder Sozialromantik, wie es vielleicht in anderen Filmen der Fall gewesen sein könnte, sondern von knallhartem Realismus. Pittoresk ist hier nichts, und Neapel wird von einer erschreckt hässlichen Seite gezeigt.

Die Figur Aldo dominiert die Geschichte. Neben ihm kommt kaum eine Figur zum Tragen. Mit Ausnahme seiner Freundin Luciana, die von Stefania Casini gespielt wird und von der gleich noch die Rede sein wird. Seine Bande bleibt gesichtslos, auch wenn ihre Rekrutierung einen Teil der Handlung ausmacht. Doch kaum sind die Spezialisten für Verbrechen engagiert, verlieren sie schon ihre Persönlichkeit. Die einzige Ausnahme stellt Bernard dar. Ein Mann, der nicht redet, nur handelt, wenn es die Situation erfordert, und der immer einen geheimnisvollen Beutel mit sich führt. Diese Figur, die scheinbar niemanden etwas beweisen muss, hätte durchaus einen größeren Platz im Film verdient. Lorenzo Piani spielt ihn überzeugend und mit einer bedrohlichen Lässigkeit. Und einer tödlichen Präzision, wenn er dann seine Waffe auf dem Beutel holt.

Die Actionszenen sind gut getimt und steigern sich während des Filmes immer mehr. Wobei HARLEY RIDERS kein Actionfilm ist, sondern sich mehr auf den Weg der Figur Aldo konzentriert. Die ist nicht unbedingt sympathisch und voller Widersprüche. Mit jemanden wie Aldo kann man sich nicht identifizieren. Ganz im Gegenteil. Skrupellos und brutal sucht er den Weg nach oben und die Rache an Don Enrico, der ihn einst in die Schranken wies und für den Tod seines einzigen Freundes verantwortlich ist. Natürlich besitzt Aldo auch Charme, doch nutzt er diesen vor allem, um an seine Ziele zu kommen.

Darunter leidet die Beziehung zu seiner Geliebten. Luciana, eine gutgläubige, für die brutale Gangsterwelt viel zu zarte Frau, die Aldo vielleicht einen Tick zu schnell verfällt. Sie ist das Herz des Films. Zwar hat Schauspielerin Stefania Casini nur vergleichsweise wenige Szenen, diese brennen sich aber ins Gedächtnis. Besonders zum Ende hin, wenn sie mit dem Leben, zu dem sie Aldo zwingt, nicht mehr klarkommt. Dann ist die Verzweiflung, die Stefania Casini hier spielt, mit beiden Händen greifbar und ihre Luciana ist die einzige Person in einem gefühlskalten Film, die man in den Arm nehmen möchte. Und die eklige Weise wie Aldo mit ihr umgeht, stößt einen nur noch mehr von ihm ab.
Das Finale kommt dann sehr schnell und vorhersehbar. Squiriti spielt hier mit religiösen Motiven. Zumindest kann man dies so interpretieren. Mit einer Party als letztes Abendmahl und der Suche nach Erlösung.

Hervorzuheben ist auch die Musik von Franco Campanino, der normalerweise eher im Commedia sexy all’italiana zuhause war, im selben Jahr aber auch nochmal Joe Dallesandro in dem bereits erwähnten, finsteren DIE GRAUSAMEN DREI musikalisch begleitete. Ist es im Poliziottesco normalerweise der hart durchgreifende Kommissar Eisen oder ein Gangster mit eigenem Ehrencodex, welcher die Hauptrolle innehat, so muss man Aldo diesen Ehrencodex oder auch das goldene Herz absprechen. Vielmehr orientiert sich HARLEY RIDERS an den klassischen US-Gangsterfilmen der frühen 30er, wie DER KLEINE CÄSAR (Little Caesar), SCARFACE oder DER ÖFFENTLICHE FEIND (Public Enemy). Und mit Joe Dallesandros Aldo haben Cagney, Robinson & Co. auch ihren perfekten Nachfolger gefunden.

Die Blu-ray von filmArt ist ungeschnitten und mit 107 Minuten genauso lang, wie das britische Pendant von Arrow. Worauf hier besonders hingewiesen werden muss, denn bei beiden Veröffentlichungen stimmen die Cover-Angaben nicht. Während die Laufzeit bei filmArt mit 83 Minuten viel zu gering angeben ist, hat Arrow mit 113 ein paar Minuten zu viel auf der Uhr. Die Bildqualität der filmArt-Bluray ist wieder sehr gut und wirkt sehr natürlich mit vernünftigem Filmkorn. Es liegt eine gute deutsche Kino-Synchronisation vor, anderen Sprachfassungen leider nicht. Die auf dem Backcover angekündigte deutsche Kinofassung fehlt, ebenso wie nennenswerte Extras. Das Booklet besteht aus den Aushangfotos der deutschen Kinofassung.

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Vorschau: Das 32. Internationale Filmfest Oldenburg – Eröffnungsfilm und Tribute für Scott Glenn

Nun steht auch der Eröffnungsfilm des 32. Internationale Filmfest Oldenburg fest. Und der bringt Hollywood nach Oldenburg. Dies in Gestalt eines Schauspielers, den ich seit den 80er Jahren immer wieder sehr gerne gesehen habe: Scott Glenn.

Eugene the Marine“ von Hank Bedford verbindet laut Pressetext warmherzige Komödie mit klassischen Elementen des Giallo-Thrillers – an der Seite von Glenn sind Jim Gaffigan, Annette O’Toole und Shioli Kutsuna zu sehen

Bedfords Regiedebüt „Dixieland“ lief 2015 in Oldenburg und war damals nicht nur mein Lieblingsfilm des Festivals, sondern kletterte auch auf Platz 7 meiner Top 10 2015.

Mit „Eugene the Marine“ soll Bedford gekonnt zwischen Drama, Komödie und psychologischem Thriller oszillieren. Auf 16mm gedreht und laut Ankündigung „durchdrungen vom Geist des Genrekinos der 1970er- und 80er-Jahre, verneigt sich Bedford nicht nur vor seinem charismatischen Hauptdarsteller, sondern auch vor der wilden Energie der italienischen Giallo-Tradition. Entstanden ist »handgemachter Horror mit Herz«“

Eugene ist ein ehemaliger Marine, dessen streng geordnetes Leben ins Wanken gerät, als sein Sohn versucht, ihn aus dem Familienhaus in ein Altenheim zu verdrängen – während zugleich eine Serie geheimnisvoller Morde sein Umfeld erschüttert.

Scott Glenn prägt seit über fünf Jahrzehnten das Kino – von »Urban Cowboy« und »The Right Stuff« über »Das Schweigen der Lämmer« und »Training Day« bis hin zu HBOs »The White Lotus«. Sein Auftritt in der Serie brachte ihm eine Nominierung als Bester Gastdarsteller in einer Dramaserie bei den Emmy Awards ein, die am 6. September in Los Angeles verliehen werden. Sein künstlerisches Credo formulierte Glenn einst so: „Es gibt Momente im Spiel, in denen die Rolle dich spielt. Wenn man sensibel genug ist, lässt man es geschehen – und versucht, nicht im Weg zu stehen.“

Als einer der profiliertesten Charakterdarsteller Hollywoods arbeitete Glenn mit Regiegrößen wie Robert Altman, Francis Ford Coppola, Michael Mann, John Frankenheimer und Sofia Coppola.

Oldenburg ehrt Scott Glenn mit dem diesjährigen Tribute.

Zur Eröffnungsgala werden Hank Bedford, Scott Glenn, sowie Mitglieder des Ensembles und der Crew in Oldenburg erwartet, um einen Film zu präsentieren.

Im Rahmen des Tributes für Scott Glenn zeigt das Festival folgende Filme:

»Urban Cowboy« (USA 1980, Regie: James Bridges)
»The Challenge« (USA 1982, Regie: John Frankenheimer)
»Das Schweigen der Lämmer« (USA 1991, Regie: Jonathan Demme)
»Carla’s Song« (GB 1996, Regie: Ken Loach)

Scott Glenn wird vom 10. bis zum 14. September zu Gast in Oldenburg sein.

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Vorschau: Das 32. Internationale Filmfest Oldenburg – Auch die erste Filme sind angekündigt

Die ersten Filme des 32. Internationale Filmfest Oldenburg sind angekündigt. Bald ist es schließlich auch soweit. Das Filmfest findet in diesem Jahr vom vom 10. bis 14. September statt- und das ist nur noch knapp drei Wochen hin!

Wie in den letzten Jahren auch immer, habe ich hier die Ankündigungstexte der Pressemeldung übernommen und diesen im Anschluss mit meinen eigenen Anmerkungen versehen.

Re-Creation, IRL/LUX 2025 Jim Sheridan und David Merriman (Deutsche Premiere)

Ein fiktives Juryzimmer wird zur Bühne für das Nachdenken über Wahrheit, Schuld und Erinnerung. In »Re-Creation« werfen der sechsfach Oscar-nominierte Jim Sheridan und David Merriman einen prüfenden Blick auf den Fall Ian Bailey – zwischen juristischer Präzision und menschlicher Ungewissheit. Vicky Krieps als widerspenstige Jurorin und ein Ensemble angeführt von John Connors laden die Debatte auf, wie es einst Henry Fonda in Lumets „Die 12 Geschworenen“ tat. – Jim Sheridan ist für seine Filme mit Daniel Day-Lewis bekannt, wie z.B. „Mein linker Fuß“. Der Mann hat also einiges an Erfahrung, die er mitbringt. Zuletzt war er mit Musikvideos und als Produzent unterwegs. Dieser Film scheint eins ehr persönlicher zu sein, denn er ist nicht nur Co-Regisseur, sondern auch Drehbuchautor, Produzent und spielt eine der Hauptrollen.

Crazy Love, IRL 2025, Kevin Treacy und Jason Byrne (Weltpremiere)

Das Spielfilmdebüt des preisgekrönten Theaterregisseurs Kevin Treacy und des Kameramanns Jason Byrne ist ein Liebesbrief an Außenseiter. John Connors spielt einen selbstmordgefährdeten Mann, der sich freiwillig in eine psychiatrische Klinik einweisen lässt und dort in eine schizophrene Patientin (Jade Jordan) verliebt, die diese nie wieder verlassen kann. Mit der Musik des legendären Komponisten Phil Keiran wird ihre ungewöhnliche Beziehung zu einem verzweifelt schönen Kampf um Liebe und Überleben an einem hoffnungslosen Ort.– Noch ein Regie-Duo. Klingt interessant. Wenn Theaterregisseure Filme machen, wird es ja oftmals Dialog-zentriert. Aber da hier auch ein Kameramann dabei ist, bin ich gespannt. Obwohl ich keine weiteren Arbeiten von Jason Byrne gefunden habe. Phil Keiran ist übrigens ein “Northern Irish DJ, electronic music producer, recording artist and remixer”. Der Film kommt erst einmal auf die Liste.

Horseshoe, IRL 2025, Edwin Mullane und Adam O’Keeffe (Internationale Premiere)

Vier Geschwister kehren nach dem Tod des Vaters auf das Familienanwesen zur Testamentseröffnung zurück – und treffen auf einen unerwarteten Gastgeber: Colms Geist. Dunkler Humor, zarte Momente, bittersüße Familientreue. »Horseshoe« ist wie ein Regenbogen über einem irischen Sturm: melancholisch, eigenwillig, unvergesslich. Der Film gewann Edwin Mulane und Adam O’Keeffe in Galway den Preis für den besten irischen Debütfilm. – Und Regie-Duo, die Dritte. Ist dies das Festival der Regie-Teams? Die Beschreibung des Films klingt schon einmal super und die IMDB-Bewertung geht durch die Decke. Werde ich auf jeden Fall versuchen zu schauen.

Good Boy, USA 2025, Ben Leonberg

»Good Boy« erzählt seine Geschichte aus der Sicht eines Hundes. Als sein Herrchen Todd in das ländliche Familienhaus seines Großvaters (gespielt von Genre-Ikone Larry Fessenden) zieht, spürt Indy dunkle, übernatürliche Kräfte, die seinen menschlichen Begleiter zu bedrohen scheinen. Nach seiner Weltpremiere beim South by Southwest Festival (wo er mit dem „Howl of Fame“-Award ausgezeichnet wurde) ist der Film bereits jetzt einer der meistdiskutierten Filme des Jahres 2025. – Ich glaube hier konsultiere ich vorher mal lieber die Seite doesthedogdie.com. Klingt gut. Wie eine Hunde-Version von „Katzenaugen“. Habe ich definitiv einen Blick drauf. Vor allem, weil mir gerade einfällt, dass ich schon Gutes über den Film auf andren Kanälen gehört habe.

Broken Voices, Tschechien 2025, Ondřej Provazník (Internationale Premiere)

In den frühen 90er Jahren zwischen neugewonnener Freiheit und den bedrückenden Restriktionen der alten Tschechoslowakei siedelt „Broken Voices“ seine Geschichte um die 13jährige Karolina an, die in einem streng geführten, renommierten Mädchenchor mit ihrem Talent die Aufmerksamkeit des Chorleiters und Eifersucht der anderen Mädchen erregt. Bei seiner Premiere in Karlovy Vary mit stehenden Ovationen gefeiert, gewann der Film eine besondere Erwähnung der Jury für Kateřina Falbrovás Darstellung der Karolina. – Tschechische Filme stehen bei mir fast immer hoch im Kurs. Von daher könnte der Film etwas für mich sein, auch wenn mich das Thema spontan nicht so anspricht. Anderseits – den möglicherweise thematisch verwandten „Whiplash“ fand ich ja großartig. Ich überlege noch.

Harakiri, I Miss You, Spanien 2025, Alejandro Castro Arias (Weltpremiere)

Drei Freunde, ein Tag, unzählige Emotionen. Zwischen Frust und Verlangen tastet sich der Film an die ungeschminkte Wahrheit von falsch verstandener Männlichkeit, Intimität und Freundschaft heran. Ein kluger und gnadenloser Blick auf das Verhalten, das uns formt. Alejandro Castro Arias‘ Debüt unterwandert alle Erwartungen an eine klassische Coming-of-Age Story um drei tragische Helden, denen jegliche soziale Kompetenz verloren gegangen ist. – Coming-of-Age und toxische Männlichkeit. Das weiß ich nicht, ob ich darauf Lust habe. Mal schauen.

Keep Quiet, USA 2025, Vincent Grashaw (Deutsche Premiere)

Lou Diamond Phillips liefert eine darstellerische Höchstleistung mit diesem Porträt eines von Schuld und Trauer geplagten Mannes, der versucht, vergangenes Unrecht wiedergutzumachen. Nach „Bang Bang“ im letzten Jahr bringt Vincent Grashaw seinen nächsten Film nach Oldenburg – erneut mit einem legendären Schauspieler in der Hauptrolle und einer eindringlichen Geschichte vom Rand der Gesellschaft. – Oha, Lou Diamond Philipps. Hätte ich auf dem Foto gar nicht erkannt. Von dem war ich in den 80ern und frühen 90ern Fan. Allein deshalb wandert der Film auf meine Liste. Aber auch die IMDB-Beschreibung „ A weathered tribal Cop and his new trainee must find a ruthless fugitive, whose return to their rural Indigenous reservation has exposed its darkest secrets and could ignite a violent gang war.” Klingt gut und auch hier sind die Bewertungen exorbitant hoch. Nick Stahl ist auch dabei und das ist ja auch kein Schlechter. „Bang Bang“ habe ich letztes Jahr verpasst, meine aber darüber Gutes gehört zu haben.

The Silent Sinner, FR 2025, Guillaume Campanacci (Weltpremiere)

In den dunklen Straßen Krakaus leben Scarlett und Rhett wie in ihrem eigenen Film – verbunden durch Liebe, Verbrechen und den gemeinsamen Traum von einem sonnigen Leben am Mittelmeer. Irgendwo zwischen Abel Ferraras „Ms.45“ und Godards »Le Mépris« und »Pierrot le Fou« zeichnet Campanaccis cineastisches Vaxierspiel die fragile Grenze zwischen Verlangen und Zerstörung nach. – Wenn in den Ankündigen Superschwergewichte als Referenz herangezogen werden, macht mich das ja immer skeptisch. Besonders, wenn die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben. Andererseits wächst dadurch auch eine gewisse Neugierde, da ich alle drei genannten Film sehr mag – und in Krakau war ich erst vor ein paar Wochen. Die IMDB-Beschreibung klingt ein wenig anders (und wie ich finde besser): „In a world without sound, a mute and deaf femme fatale and her lover embark on a twisted spree of seduction and murder across the dark streets of Krakow.”

Maysoon, GER 2025, Nancy Biniadaki (Weltpremiere)

Eine Beziehung zerbricht, ein Reisepass läuft ab und plötzlich steht alles auf dem Spiel. Maysoon lebt mit ihrem deutschen Partner und ihren beiden kleinen Kindern in Berlin und muss hilflos zusehen, wie ihr mühsam wiederaufgebautes, bürgerliches Leben zerfällt. Zwischen verlorener Liebe, bürokratischen Mauern und der Erinnerung an den Arabischen Frühling fängt Nancy Biniadaki eindrucksvoll Maysoons stillen Kampf ein. Sabrina Anali spielt die Hauptrolle in diesem ergreifenden Porträt einer Frau im Ausnahmezustand. – Ein wichtiges und aktuelles Thema. Aber ich weiß noch nicht, ob ich darauf auch wirklich Lust habe. Wird eine spontane Entscheidung. Würde ich nicht ausschließen.

Gunman, ARG 2025, Cris Tapia Marchiori (Deutsche Premiere)

Ein Ex-Auftragskiller, ein einfacher Job – und ein Echtzeit-Abstieg in Verrat, Überleben und Chaos. In einer einzigen, atemlosen Einstellung durch die Straßen von Buenos Aires getrieben, zieht »Gunman« mit jeder Sekunde tiefer in ein Viertel, das von Gewalt und Loyalität regiert wird. – Die IMDb weiß zusätzlich zu berichten: „Gatillero (Gunman) is a tense real-time thriller. A raw story of tragedy and redemption, told through a single continuous shot. Filmed in the real Isla Maciel, on the outskirts of Buenos Aires, Argentina.“ Klingt spannend. Erinnert mich an den dänischen „Shorta“, den ich 2020 in Oldenburg sah und der mich sehr beeindruckt hatte. Bin gespannt!

Summer Hit Machine, BEL 2025, Jérôme Vandewattyne

Tief in den belgischen Ardennen betritt die Boogie-Punk-Band Chevalier Surprise ein schickes Studio – beauftragt, Machiavellis Kult-Hymne „Fly“ zu covern. Ihre abgeschottete Elite-Session entwickelt sich zu einer irrwitzigen Kollision von Egos und Ambitionen. »Summer Hit Machine« liebt sein Chaos, lacht über die Musikindustrie und feiert die Absurditäten von Ruhm und Wahnsinn. Nach seinem preisgekrönten „The Belgium Wave“ liefert Jerôme Vandewattyne ein weiteres trickreiches Spiel mit Erwartungen und Konventionen und erweist sich als einer der sorglosesten Nonkonformisten des europäischen Kinos. – Ha, der sympathische Herr Vandewattyne ist ja quasi Stammgast in Oldenburg – und enttäuschte bisher nie. Im Gegenteil. Sowohl die Punk-Mockumentary „Spit ’n‘ Split“ als auch „The Belgium Waves“ zählten in den jeweiligen Jahren immer zu meinen Höhepunkten in Oldenburg. Ich freue mich sehr, dass auch sein dritter Spielfilm hier gezeigt wird. Klar, dass ich alles daran setzen werden, den Film irgendwie in meinen „Guck-Plan“ unterzubringen.

The Girl in the Snow, FRA 2025, Lousie Hémon

1899 trifft Aimée, eine junge konservative Lehrerin, in einem abgelegenen Bergdorf an der französisch-italienischen Grenze ein. Fest entschlossen, die obskuren Aberglauben des Dorfs herauszufordern, findet sie sich allmählich in das Dorfleben – bis eine Lawine die ersten der Bergmänner unter sich begräbt. »The Girl in the Snow« ist ein hypnotischer Mix aus magischem Realismus, Sinnlichkeit, Naturmystik und uralter Folklore. Hémons meisterhaftes Debüt wurde in Cannes uraufgeführt. – Okay, „ magischem Realismus, Sinnlichkeit, Naturmystik und uralter Folklore“. Damit hat man mich. Ich habe jetzt zwar Kritiken gelesen (der Film lief schon auf anderen Festivals), die klarmachen, dass das hier kein Folk-Horror ist, und man seine Erwartungen dahingehend korrigieren sollte. Aber gut hörten die sich trotzdem an.

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Vorschau: Das 32. Internationale Filmfest Oldenburg – Erste Gäste angekündigt

Das 32. Filmfest Oldenburg steht bevor und bereits jetzt sind die ersten Höhepunkte veröffentlicht wurde. Gerade für Freunde des „aus dem Rahmen fallenden“ Films ist wieder ordentlich etwas dabei. So wurden bereits zwei Gäste angekündigt.

Zunächst ist da der Filmemacher und Musikproduzent James William Guercio, der zwar nur einen einzigen Film inszeniert hat – der hat es dafür aber in sich: „Electra Glide in Blue“. Oder wie er in Deutschland hieß: „Harley Davidson 344“. Der Film wird selbstverständlich während des Filmfests auch gezeigt.

Guercio ist vor allem für seine Arbeit mit der Band Chicago bekannt. In einer langjährigen Partnerschaft definierte er das Rockgenre neu, indem er Jazz, Rock und blasinstrumentenbetonte Melodien miteinander verband. Er schrieb, arrangierte und produzierte elf Alben und verhalf der Band zu 24 Top-40-Hits. In seinem legendären Caribou Ranch Studio in Montana nahm er Künstler wie Chicago, Phil Collins, Earth, Wind and Fire, Billy Joel, Elton John, John Lennon, die Beach Boys, Supertramp, Michael Jackson und U2 auf. Im Laufe seiner Musikkarriere gewann er zwei Grammys und wurde 36 Mal für einen Grammy nominiert.

Der zweite Gast ist noch etwas obskurer. Wer in den 80ern als Horror-Nerd aufgewachsen ist, kennt aber sicherlich das Gesicht: Don Opper. Als Charly Mc Fadden war er in dem schwarzhumorigen Sci-Fi Hit „Critters“ zu sehen und spielte diese Rolle auch in allen drei Sequels.

Opper begann als Setdesigner und Second Unit Director in Roger Cormans New World Studios. Er arbeitete an einem der größten Erfolge Cormans mit und ergriff dann mit einigen Mitstreitern aus der Corman Schmiede die Gelegenheit, mit „Android“ als Hauptdarsteller (neben Klaus Kinski!) und Co-Drehbuchautor das erste Filmprojekt umzusetzen.

Es dauerte dennoch zwei Jahre, bevor der Film es ins Kino schaffte. Die Macher mussten die Rechte von Corman zurückkaufen, da er nicht an den Erfolg dieses für seine Ansprüche viel zu anspruchsvollen Films glaubte. Erst 1984 kam er in die amerikanischen Kinos und wurde als „Sleeper-Hit“ von der Kritik gefeiert.

Don Opper wird mit seinem Bruder, dem Produzenten Barry Opper in Oldenburg zu Gast sein. Im Rahmen des Tributes werden in Oldenburg zu sehen sein:

»Android« (USA 1982, Regie: Aaron Lipstadt)
»Critters« (USA 1986, Regie: Stephen Herek)
»Slam Dance« (USA 1987, Regie: Wayne Wang)
»Critters 2« (USA 1988, Regie: Mick Garris)

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Filmbuch-Rezension: Christian Keßler “Das wildeste Auge – Horror und Science Fiction all’italiana (1957-1994)“

Es war im Jahre 1997 als ich in dem damals an der Martinistr. beheimaten Filmladen „Cinemabilia“ das Buch „Das wilde Auge“ von Christian Keßler entdeckte. Mit 49 DM war es für mich damals nicht gerade günstig. Ich kannte und mochte bereits Christians Artikel in der Splatting Image und „Das wilde Auge“ eröffnete mir weitere neue (Film)Welten. Zuhause bemerkte ich, dass jemand bereits in das Buch hinein gekritzelt hat. Ein Scherz eines Mitarbeiters oder der Autor selbst? Damals wusste ich nicht, dass Christian auch in Bremen wohnte. So blieb der Schriftzug all die Jahre ein Geheimnis für mich, welches sich erst im Februar 2019 aufklärte. Da hatten mein Mitstreiter Stefan und ich Christian in unserer Film-Reihe Weird Xperience im Cinema im Ostertor zu Gast hatten, wo er sein damals neues Buch „Endstation Gänsehaut“ vorgestellte. Da hatte ich „Das wilde Auge“ im Gepäck und konnte ihn bei den einleitenden Worten direkt danach gefragt. Er konnte sich da zwar nicht mehr dran erinnern, erkannte aber seine Handschrift.

„Das wilde Auge“ war für mich eine Offenbarung, und ich las es mehr als einmal. Man muss sich auch vor Augen halten, dass es damals eines der ersten deutschsprachigen Bücher zum Thema italienischer Genrefilm war – und meines Wissens auch das erste, welches seinem Thema mit Liebe und Respekt begegnete. Das im Corian Verlag erschiene „Das wilde Auge“ hatte scheinbar keine riesige Auflage und wurde auch nie nachgedruckt, weshalb es in Sammlerkreisen rasch zum gesuchten Objekt wurde und bei Ebay und Konsorten locker Preise im mittleren dreistelligen Euro-Bereich aufgerufen wurden. Kein Wunder also, wenn in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder der Wunsch geäußert wurde, es möge doch endlich mal neu aufgelegt werden.

Diesem Wunsch wurde nun entsprochen. Nachdem Christian Keßler im vorbildlichen Martin Schmitz Verlag bereits zahlreiche Bücher, u.a. zum amerikanischen Hardcorefilm, dem Horrorfilm an sich, dem Film Noir, dem Giallo und dem italienischen Polizei- und Mafiafilm veröffentlicht hatte, ist nun mit „Das wildeste Auge“ eine Revision seines Klassikers erschienen. Dabei deutet der Titel schon an, dass es sich nicht um einfachen Nachdruck handelt. Im Gegenteil: „Das wildeste Auge“ ist ein vollständig neues Buch, welches sich allerdings den Themen des Vorgängers widmet. So übernimmt das Buch nicht die Struktur des alten Buches, welches in thematische Kapitel eingeteilt war, sondern jene der letzten Veröffentlichungen.

Christian nimmt sich Jahr für Jahr vor und stellt jene in diesen in die Kinos gekommen, relevanten Filme chronologisch vor. Es beginnt mit „Der Vampir von Notre-Dame“ aus dem Jahre 1957 und endet mit „Dellamorte Dellamore“ aus dem Jahre 1994. Dies ist einerseits ein perfekter Schlusspunkt, andererseits ein wenig schade, da es danach ja noch einige wenige Horrorfilme aus Italien gab, man denke z.B. an „Wax Mask“ oder „Terza Madre“. Mein persönlicher Tipp wäre zum Beispiel „Across the River“ von 2013. Aber es passt schon, denn „Dellamorte Dellamore“ war der letzte Höhepunkt einer fast 40-jährigen Reise. Damals glaubten wir Fans noch, er wäre der Auftakt einer neuen Welle an italienischen Genrefilmen. Tatsächlich leider kam diese dann nicht, und das Genre wurde in Italien nur noch sporadisch bedient.

Christians Ansatz bleibt der eines Beobachters. Er ergeht sich nicht in tiefgreifenden Analysen der von ihm vorgestellten Filme, sondern beschreibt, was er dabei empfunden hat, was er an den Filmen mochte und manchmal auch, was nicht. Dem werden Informationen/Ankedoten über die beteiligten Personen und Produktionsumstände beigestellt, sowie eine Einordnung der Filme in die Geschichte des Genres, wofür Christian als langjähriger Experte auf dem Gebiet natürlich prädestiniert ist. Vorgetragen im typisch locker-humorvollen Keßler-Sound, den er über die Jahre perfektioniert hat.

Christian beschränkt sich hier ganz auf die beiden Genres Horror (wobei dieses auch die berüchtigten Kannibalenfilme beinhaltet) und Science-Fiction. Andere Strömungen des phantastischen Films kommen nur zum Zuge, wenn sie Horrorelemente besitzen, wie beispielsweise Mario Bavas Peplum „Vampire gegen Herakles“. Der Ansatz alle Filme chronologisch zu präsentieren ist höchst spannend und aufschlussreich. Denn er zeigt sehr deutlich, dass das italienische Genrekino in Wellen funktioniert, welche durch erfolgreiche Filme – zumeist aus Hollywood, aber nicht nur – ausgelöst werden und schnell zu einer wahren Flut führen, die dann aber ebenso schnell auch wieder verebbt. Dies wäre auch einmal eine ganz eigene filmhistorische Untersuchung wert.

„Das wildeste Auge“ ist wieder einmal ein Buch, in dem man stundenlang versinken kann. Welches man entweder von vorne nach hinten liest oder sich auch immer wieder hier und dort Abschnitte oder einzelne Filme herauspicken kann. Und welches sich obendrein hervorragend dazu eignet, die eigene „Guck-Liste“ zu vervollständigen. Als nächstes soll, wie man hört, dem spanischen Horrorfilm eine ähnliche Behandlung angediehen werden. Ein weiterer Grund zur Freude!

Christian Keßler “Das wildeste Auge – Horror und Science Fiction all’italiana (1957-1994)“, Martin Schmitz Verlag, 360 Seiten, gebunden, farbige Abbildungen, € 36,00

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Aktuellen Ausgaben der Retro-Filmmagazine 70MM (#8) und 35MM (#57)

Gerade frisch erschienen ist die achte Ausgabe des von mir als Chefredakteur betreuten Magazins „70 Millimeter“, welches sich mit der Filmgeschichte von 1966 bis (jetzt neu) 1979 beschäftigt. Genau, der ursprünglich bis 1975 gehende Zeitrahmen wurde um vier Jahre erweitert, um das gesamte Jahrzehnt zu erfassen. Dies habe ich gleich ausgenutzt, um über den „Schmelzmann-Film“ PLANET SATURN LÄSST SCHÖN GRÜSSEN zu schreiben. Ferner habe ich noch einen Artikel über Pasolinis TEOREMA beigesteuert. Aber auch die anderen Artikel meiner treuen Mitstreiter sind ausgesprochen lesenswerten und bieten ein gutes Potpourri an Themen.

Schon etwas länger erhältlich ist die bereits 57. Ausgabe des „Muttermagazins“. Das „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“ beschäftigt sich mit den Filmjahren 1895 bis 1965 und hat auch immer ein Titelthema. Diesmal Malerei und bildende Kunst. Hier durfte ich einen Artikel Malerei im Horrorfilm mit einbringen. Auch hier gilt: Was die Kolleg*innen zu dem Heft beigetragen haben sind- dem Titelthema entsprechend- auch kleine Meisterwerke.

Die 70 Millimeter #8 gibt es HIER noch für 4,80 zzgl. Versand.
Die 35 Millimeter #57 HIER für 7,20 zzgl. Versand.

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Rezensionen – Die Filme des 10. Filmfest Bremen

Hier wie angekündigt eine Zusammenfassung der auf dem Filmfest gesehen Filme.

Brian and Maggie – Der neue Film von Stephen Frears ist eigentlich ein TV-Zweiteiler. Hier zu Ehren von Frears als Zusammenschnitt im Theater Bremen im großen Haus gezeigt. Es geht um ein Interview, welches Maggie Thatcher mit dem Moderator Brian Walden führte, und welches letztendlich zu ihrem Rücktritt führte.

Ich bin da nicht so tief im Thema, was den Thatcherismus angeht. Ich weiß aus vielen britischen Filmen, dass das schrecklich gewesen sein muss, aber genau bin ich da nicht drin. Deshalb ließ ich eine politische Bewertung mal raus. Auch kannte ich Brian Walden nicht und von dem Interview hörte ich das erste Mal. Somit war es für mich eine klassische Geschichte einer zarten Freundschaft, die im Verrat endete. Und einer Frau, die eine Vision hat und sich gegen alle Widerstände durchsetzen muss. Eben, weil sie eine Frau in einer komplett Männerdominierten Gesellschaft ist (im TV-Studio gibt es auch keine Frauen in echten Leitungsfunktionen).

Das funktionierte für mich gut. Walden und Thatcher kommen aus ganz unterschiedlichen Lagern, aber sie verstehen sich, sehen im anderen eine verwandte Seele. Man öffnet sich dem anderen, wobei das nicht zu einer verkappten Liebesgeschichte ausartet, sondern es wirklich um Respekt und Sympathie geht. Das ist auch von Steven Coogan und Harriet Walter wunderbar gespielt. Am Ende geht es dann etwas schnell. Was genau zum „Verrat“ Waldens führte, wird nicht ganz klar. Die finale Konfrontation wiederum ist brillant und ohne Effekthascherei inszeniert. Ja, vielleicht kommen Maggie und ihre Politik hier zu gut weg. Blende ich das aus (was mir aufgrund mangelnden Wissens auch gut gelingt), bleibt immer noch ein gelungener Film.

Horror Story – Entgegen des Titels, erwarten einen in diesem polnischen Film keine Geister (wobei es in zwei Szenen durchaus fantastisch vonstattengehen könnte), sondern ein recht realer Horror: Die Jobsuche nach dem Uni-Abschluss.

Tomek hat gerade einen ausgezeichneten Abschluss in „Banken und Finanzen“ gemacht. Doch noch steht er ohne Job und ohne Wohnung da. Zudem hat sich seine Freundin von ihm getrennt und die Eltern machen Stress. Er landet erst einmal in einer vollkommen runtergekommen und baufälligen Pension voller skurriler Mieter.

Das geht erst so Richtung „Der Mieter“ „Rosemary’s Baby“ und ähnlichem. Doch die Mitbewohner sind gar nicht so schlimm. Und eigentlich sind die zwar komplett verrückt, aber auch sehr lebendig. Anders als die Welt da draußen, wo Tomek immer verzweifelter einen Job sucht. Die ist kalt und menschenverachtend. Da dies eine Komödie ist, gerät der arme Tomek sowohl in seiner Wohnung als auch bei den Vorstellungsgesprächen in die unmöglichsten Situationen, bis er völlig verzweifelt ein Ende machen will. Wie es weiter geht, verrate ich nicht.

Ich mochte den Film sehr. Es ist der erste Langfilm des Regisseurs Adrian Apanel, der auf einem seiner Kurzfilme beruht – den er in derselben Kulisse mit teilweise denselben Schauspielern und mit demselben Kameramann dreht. Und aus dem er viele Szenen wiederverwendet, wenn auch mit einem anderen Dreh als bei dem tatsächlich eher horrorlastigen Kurzfilm. Ich fand die Schauspieler, allen voran Hauptdarsteller einfach großartig und die Figuren höchst amüsant (und sehr polnisch). Bildsprache, Ton (wichtig!) und Musik waren auch hervorragend. Ich habe den Film 2,5x gesehen und es war jedes Mal ein großes Vergnügen.

My Killer Buddy – Italienisches Drama. Ein Junge (so um die 10) bekommt mit, wie sein Vater regelmäßig die Mutter verprügelt. Also kommt er auf die Idee, einen Killer anzuheuern, der das Problem „Vater“ beseitigt. Leider (oder Gottseidank) gerät er dabei an den Falschen. Secco ist kein Killer, sondern ein ziemlich erfolgloser Kleinkrimineller, der sein Leben nicht so richtig auf die Reihe kommt. Da der Vater eine gutgehende Firma besitzt und der Junge weiß, wo das Bargeld versteckt ist, wittert Secco die Chance auf den großen Clou.

Dass die beiden sich anfreunden und Secco so etwas wie ein Ersatzvater wird, kann man sich denken. Aber das Ganze ist derartig unsentimental und vom Neurealismus geprägt (alles ist grau, regnerisch, ungemütlich und abgerissen), dass keinerlei Süßlichkeit aufkommt. Da sind nur zwei Seelen, die sich irgendwie finden und brauchen. Und die sich auch nur langsam annähern. Dabei lernen wir mehr über den anfangs tumb wirkenden Seeco und schließen ihn ebenso ins Herz, wie den Jungen.

Eigentlich ein kleines Meisterwerk, das Gianluca Santoni da inszeniert hat. Aber ich bin mir wegen des Endes noch nicht sicher. Es gibt eine Szene, die hat eine solche Kraft – da habe ich im Kino fast aufgeschrien. Wenn der Film da zu Ende gewesen wäre, hätte mich das komplett zerstört. Aber dann geht der Film noch weiter und bietet tatsächlich so etwas wie ein Happy End an. Wofür ich einerseits wahnsinnig dankbar war – andererseits dem Film auch seine Kraft nimmt. Da bin ich zwiegespalten, wie ich das finde. Ich sage mal so, ohne das Ende würde ich wahrscheinlich heute noch verstört und traurig sein. Andererseits…

Invention – Aus dem Programmheft: „„In the aftermath of a conspiracy-minded father’s unexpected death, his daughter receives his patent for an experimental healing device. Featuring archive from actress Callie Hernandez’s actual late father, INVENTION explores the process of grieving a complicated parent, and the filmmaking itself becomes a part of the process.“

Entstanden ist der Film als Zusammenarbeit zwischen der Dokumentarfilmerin Courtney Stephens und der Schauspielerin Callie Hernandez, die sich durch gemeinsame Freunde getroffen hatten und in diesem Film gemeinsam den Verlust ihrer Väter verarbeiteten, die beide auf ihre Art und Weise sehr spezielle Charaktere waren. Dazu steuerte Callie Hernandez auch echte VHS-Material bei, welches ihren Vater (der als eine Art Wunderheiler unterwegs war) u.a. bei Auftritten in einem TV-Shopping-Kanal zeigen.

Ich fand den Film ganz wunderbar. Bilder, Schnitt, Material und Ton erzeugen einen ganz spezifischen, uniquen Sound. Gleichzeitig funktioniert er auf mehreren Bedeutungsebenen. Trauer, einen Menschen zu spät und durch Erzählungen kennenlernen, unterschiedliche Lebensentwürfe.

Und durch die Geschichte um die Erfindungen und Conspiracy Theories ist es auch unterhaltsam und ein wenig seltsam. Getragen wird der Film vor allem durch seine großartigen Schauspieler.

Beim Wiedersehen habe ich festgestellt, dass ich einiges anders am Kopf hatte. Zum Beispiel erinnerte ich, dass diese Verschwörungstheorien einen größeren Raum einnehmen würden. Dem ist gar nicht so.  Ich mochte den Film aber aber auch beim wiederholten Sehen wieder sehr. Diese Mischung aus Realität und Fiktion, die auch mal die vierte Wand durchlässig werden lässt.

„Invention“ ist ein sehr, sehr ruhiger Film über Trauerarbeit und das Kennenlernen eines Menschen über die Erinnerungen anderer. Der Film bekam beim Filmfest Bremen den Preis für „Best innovative storytelling“, was mich sehr gefreut hat.

Somnium – Eine angehende Schauspielerin vom Lande bekommt in der Stadt der Engel kein Bein auf den Boden. Da kommt das Angebot in einer Schlafklinik zu arbeiten gerade recht, denn hier muss sie nachts lediglich auf die Schlafenden aufpassen. Aber die Klink hat ein spezielles Programm, mit dem die Wünsche und Sehnsüchte der Patienten nach der Therapie in die Tat umgesetzt werden. Irgendetwas stimmt da nicht. Auch in Leben der Protagonistin geht einiges durcheinander. Da ist der Freund, von dem sie sich getrennt hat, der in ihrem Leben aber immer noch eine große Rolle spielt. Der frustrierende Stress, endlich eine Rolle zu bekommen. Und dann das Ding, welches da scheinbar in den Schatten lebt.

Racheal Cains Langfilm-Debüt ist gut gefilmt und ähnelt von der Stimmung her an „The Neon Demon“ oder einen Cronenberg-Film. Ist aber etwas ganz Eigenes. Hauptdarstellerin Chloë Levine ist toll und für Horrorfilme wie gemacht. Alles baut sich langsam und dann immer spannender auf. Man fiebert mit und fragt sich, was soll das alles. Was steckt dahinter? Was ist real, was Albtraum? Und wenn man so effektiv eine Erwartung aufbaut, dann kann die Auflösung eigentlich nur enttäuschen. Am Ende wird einem dann eine Binsenweisheit mit auf den Weg aus dem Kino gegeben. Das ist dann doch etwas wenig. Aber bis dahin ist „Somnium“ durchaus eine Empfehlung.

The Spin – Irische Komödie von Michael Head um zwei Freunde, die gemeinsam einen extrem unerfolgreichen Plattenladen führen und mit der Miete drei Monate im Rückstand sind. Was dazu führt, dass ihre Vermieterin die Beiden am liebsten raussetzen und das Gebäude in ein Hotel umwandeln will. Doch da entdeckt einer der Beiden auf Ebay eine Plattenkiste für 30 Euro mit Platten drin, die teilweise 40.000 Euro wert sind. Problem: Selbstabholer und die Liste stehen am anderen Ende der Insel. Also machen sich unsere beiden Freunde mit einem altersschwachen Auto auf den langen Weg.

Und das ist dann natürlich ein typisches Roadmovie mit sympathischen Außenseitern. Und so etwas funktioniert immer nur, wenn man die beiden Protagonisten ins Herz schließt. Und das tut man hier auch. Es werden einige kleine Abenteuer erlebt, skurrile Leute kennengelernt – und am Ende gibt es dann eine nette Moral. Nichts Besonderes, aber ein schöner kleiner, lustiger Film, dem man gerne folgt und der einfach ein gutes Gefühl verbreitet. Das muss auch mal sein.

Jenseits von Schuld – Eine Dokumentation von Katharina Köster und Katrin Nemec rund über die Eltern des Serienmörders Niels Högel, genannt „Der Todes-Pfleger“. Die Geschichte ging durch die Presse. Niels H. hat mindestens 83 Menschen auf dem Gewissen. Wie geht es seinen Eltern damit. Was für Menschen sind das. Wie gehen sie damit um.

Ziemlich harter Stoff. Insbesondere, weil die Eltern – vor allem der Vater, den ich sehr ins Herz geschlossen habe – einfach sausympathisch und wirklich gute Menschen sind. Die auch auf der Suche nach Antworten sind und welche die Taten des Sohnes zerbrochen haben. Die mit den Konsequenzen täglich konfrontiert werden, und versuchen irgendwie weiterzuleben und noch immer für ihren Sohn da zu sein.

Dem Täter wird hier keine Bühne geben. Er kommt hier lediglich in Kindheitsbildern und ferne Stimme am Telefon vor. Und das ist auch gut so. Ich könnte jetzt noch viel, viel mehr schreiben – verweise aber auf eine mögliche TV-Ausstrahlung im ZDF am Ende des Jahres. Ich sprach danach noch recht lange mit der Regisseurin und erfuhr einiges von der Produktion, die tatsächlich über sechs Jahre dauerte. Ein sehr guter, wichtiger Film.

Nach dem Film und der spannenden Q&A blieb noch Zeit, um sich in kleiner Runde mit der sehr sympathischen Regisseurin zu unterhalten und noch einige Hintergründe zum Film zu erfahren.

Co-Regisseurin Katharina Köster (links)

Another German Tank Story – In einem Kuhdorf (wobei ich glaube, da gab es nicht einmal Kühe) im Osten will eine Hollywood-Produktion einen Kriegsfilm drehen. Davon sieht man nicht viel, aber die Filmcrew bringt Leben ins Dorf und eben jenes der Dorfbewohner durcheinander.

Erzählt werden kleine Geschichte. Manchmal absurd, manchmal tragisch, manchmal lustig – und immer mit sehr viel Herz und Understatement. Man gewinnt die „Dörfler“ sehr schnell lieb. Und was ich dem Film sehr zugute halte: Er macht sich nicht über sie lustig. Sondern beobachtet sie nur genau und mit viel, viel Liebe. Der Humor kommt aus absurden Situationen und wirkt nie verkrampft oder gewollt.

Da gibt es die Bürgermeisterin (toll, Meike Droste aus „Mord mit Aussicht„), die an ihrem eigenen Wahl-Slogan „Pauli packt es an“ verzweifelt und irgendwann einen Panzer im Hof stehen hat. Da ist ihr Sohn, dem sie einen Job als Fahrer bei der Filmcrew besorgt hat – ohne zu wissen, dass er durch die Führerscheinprüfung gefallen ist – weshalb er dann nie schneller als 10kmh fährt. Da ist der Freund des Sohnes, der eine kleine Rolle in dem Hollywood-Film bekommt und sich das erste Mal wertgeschätzt fühlt – weshalb er die Wehrmachtsuniform, die er behalten durfte, auch nicht mehr auszieht. Und da ist Rosi, die Rentnerin, die ihre ganz eigene Abreise plant.

All diesen Figuren sieht man gerne zu, wie sie sich irgendwie durch die Tristesse des öden und abgehängten Dorflebens lavieren. Für mich hätte der liebenswerte Film so noch drei Stunden so weitergehen können. Am Ende (und Gottseidank am Ende, sonst wäre es dramaturgisch aufdringlich gewesen), wird dann noch verraten, warum da alles „Telemann“ heißt, und man entdeckt die kleinen Wunder, auf die alle warten und die es auch gibt, wenn man genau hinschaut.

Ein wunderschöner, unaufgeregter Film, der zurecht mit dem Preis als bester Langfilm in der Sparte „Comedy/Satire“ ausgezeichnet wurde. Von einem unfassbar jungen Team um den Regisseur Jannis Alexander Kiefer, deren gemeinsamer Abschlussfilm dies war.

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Nachbetrachung: Das 10. Filmfest Bremen

Mittlerweile ist das 10. Filmfest Bremen auch schon wieder seit einem Monat vorbei. Schön war es. Es begann mit einer gelungenen Eröffnungsgala im Theater Bremen. Ich bin normalerweise eher zurückhaltend, was solch ein Rahmenprogramm angeht. Diesmal war ich allerdings neugierig. Und es hat sich gelohnt. Nicht nur, dass die Reden in diesem Jahr kurz, auf den Punkt und durchaus unterhaltsam waren. Nein, die Laudatio auf den diesjährigen Träger des Bremer Filmpreises (den goldenen Mops), den großartigen britischen Regisseur Stephen Frears, wurde von einem geheimen Überraschungsgast gehalten. Und das war niemand anderes als Hugh Grant! Ein Wahnsinn. Da klappten einige Kinnladen (inklusive meiner) runter. Ohnmachtsanfälle habe ich aber keine gesehen. Die Laudatio war dann auch sehr charmant, eloquent und humorvoll. Aber auch Frears selbst war sehr charismatisch.

Ein großes Kompliment geht auch an den Moderator des Abends, Felix Krömer, der souverän und schlagfertig durch den Abend führte. Nach diesem ersten Teil gab es eine Pause und dann Frears neustes Werk „Brian and Maggie„. Ein TV-Zweiteiler, der hier zu einem Film zusammengeschnitten wurde. Ein sehr runder, schöner Abend mit viele bekannten Gesichtern und guten Gesprächen.

Moderator Felix Krömer, Festivalleiter Matthias Greving, Künsterlische Leiterin Ilona Rieke

Ähnliches gilt auch für die Preisverleihung, die dann in einem deutlich kleineren und familiäreren Rahmen ohne Stargäste und Starmoderatoren im gut gefüllten Kleinen Haus des Theaters Bremen stattfand. Ich habe gar nicht mehr gezählt, wie viele Preise da vergeben wurden. Es waren eine Menge. Dazu gab es teilweise berührende, teilweise sehr herzerwärmende Dankesreden. Gerade die Dankesrede der Gewinnerin des Best International Feature „Songs of Slow Burning Earth„, der Ukrainerin Olha Zhurba, berührte sehr. Die Preisverleihung zog sich dann mit Pause und musikalischem Zwischenspiel auch über mehreren Stunden. Weshalb mein Mitstreiter Stefan und ich dann auch kurz vor Ende gehen mussten, um den ersten Film des Tages in der Schauburg ansehen zu können. Und – wie wir später erfuhren – leider das gemeinsame Foto mit allen Sichtungskommissionen (mehr dazu gleich) auf der Bühne verpassten.

Matthias Greving, Ilona Rieke, Festivalkoordinator Marc Sifrin

Zugeschaltet aus den USA: Callie Hernandez und Courtney Stephens

Olha Zhurba

Auf dem Filmfest selbst durfte ich zweimal den polnischen Film „Horror Story“ moderieren und anschließend die Q&A mit dem sympathischen Regisseur Adrian Apanel führen. Ebenfalls zweimal waren mein Kollege Stefan und ich mit unserer monatlichen Reihe Weird Xperience dabei und führten in den spannenden Kurzfilm „The Eggreores‘ Theory“ und den schönen „Invention“ ein. Letzter hatte uns schon überzeugt, als wir ihn in der „Sichtungskommission Innovation/Experimental“ sahen. Denn erstmals waren wir beide eingeladen worden, an einer der vier Sichtungskommissionen teilzunehmen. Eine sehr spannende und lohnende Erfahrung, die sehr viel Freude bereitet hat. Auch durch die konstruktiven und immer fair, freundlich und harmonisch geführten Diskussionen mit den anderen Kommissionsmitgliedern. Am Ende gewann „Invention“ auch noch den Preis für „Best Narrative Innovation“, was uns natürlich sehr gefreut hat.

Moderation mit Adrian Apanel (rechts)

Das Weird-Xperience-Team bei der Arbeit

Höhepunkt war für mich die Panel-Diskussion „Male Nightmares, Female Nightmares“ zur Frage, was sind die Unterschiede zwischen female und male night­mares (also von Frauen und von Männer inszenierte Horrorfilme) – und wie kann Genre zur Gleichberechtigung beitragen? Gäste im Brauhauskeller (interessante Location, in der ich zum ersten Mal war) waren Jörg Buttgereit und Fahrah Bouamar. Sehr spannend und gewinnbringend. Fahrah Bouamar hat mit einer Freundin in Berlin eine Filmproduktion nur für Horrorfilme namens Lost Film gegründet. Die Ausschnitte aus zwei Kurzfilmen von Lost Film sahen schon sehr interessant aus. Besonders schön war ein gemeinsames Essen im Anschluss mit Jörg, meinem Weird-Xperience-Kollegen Stefan und einigen Bekannten aus dem Kommunalkino mit vielen interessanten Gesprächen.

Jörg Buttgereit, Farah Bouamar, Jenni Zylka

Generell Gespräche. Es war wunderschön so viele nette und filmbegeisterte Menschen zu treffen. Sei es als Betreuung im Kino, seien es Filmschaffende, seien es einfach Zuschauer. Es ergaben sich viele Möglichkeiten sich freundschaftlich auszutauschen und auch neue, spannende Perspektiven aufzunehmen. An dieser Stelle noch einmal ein fettes DANKE an alle Beteiligten, die hier etwas ganz Fantastisches auf die Beine gestellt haben, und speziell an Ilona Rieke und Marc Sifrin, denen ich es verdankte, ein aktiver Teil dieses wunderbaren Filmfests zu sein.

Zuschauermäßig war es in diesem Jahr gefühlt auch voller als im Vorjahr, was auch durch die offizielle Statistik bestätigt wurde. Einmal (beim Kurzfilmblock „Barriers (and how to break them)“ der Sparte Humor/Satire im City46) musste ich sogar auf eine Warteliste, da das Kino bei meiner Ankunft schon offiziell ausverkauft war. Da einige reservierten Karten nicht abgeholt wurden, klappte es dann aber.

Kurzfilmblock „Barriers (and how to break them)“ im City46

Ach ja, und die Filme, die ich sah, waren auch durch die Bank sehenswert. Dazu wird es noch einen separaten Post geben.

Fazit: Es war schön, hat viel Spaß gemacht, und ich freue mich schon sehr auf die 11. Ausgabe, die dann wieder im April (15.-19.4.) stattfindet und dann hoffentlich nicht – wie im Vorjahr – mit der ebenfalls immer im April stattfindenden Jazzahead kollidiert.

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Vorschau: Das 10. Filmfest Bremen (19. – 23. März 2025)

Vom 19. bis 23. März findet nun schon zum zehnten Mal das Filmfest Bremen statt. Zum Jubiläum werden 115 Lang- und Kurzfilme aus 30 Ländern gezeigt. Davon haben 33 Produktionen hier ihre Deutschlandpremiere. Insgesamt gibt es sechs Spielstätten und der Filmpreis geht in diesem Jahr an den renommierten britischen Regisseur Stephen Frears, dem auch eine Retrospektive gewidmet ist.

Lange Zeit hatte ich dies links liegen gelassen. Die Gründe hierfür habe ich im letzten Jahr bereits hier aufgeführt. Doch die Jahre, in denen das Filmfest Bremen ohne mich stattfanden, sind endgültig passé. Nicht nur, weil ich im letzten Jahr selber involviert war, habe ich das Filmfest Bremen schätzen gelernt. Sondern auch, weil die Zeiten, als es im Kalender noch mit dem Internationalen Filmfest Oldenburg konkurrierte oder der Filmpreis an (den von mir sehr geschätzten, aber hier nicht wirklich passenden) Hape Kerkeling vergeben wurde, Gottseidank vorbei sind. Ich habe auch die hier präsentierten Filme und die Menschen hinter dem Festival im letzten Jahr sehr schätzen gelernt. Mein Kritikpunkt – das für den Laien sehr unübersichtliche Filmprogramm – bleibt weiterhin bestehen. Aber dafür gibt es ja diesen Blog. Ich versuche da mal etwas Licht in den dicken Farbendschungel zu bringen.

Das Programm besteht zunächst einmal aus sechs Sparten, die auch farblich von einander getrennt sind.

1. Bremen und Umzu (grassgrün). Das war mal der Kern des Filmfests Bremen bei seiner Gründung. Produktionen aus Bremen, mit einem Bezug zu Bremen oder aus der Nähe von Bremen, sprich Niedersachsen.

2. Humor/Satire (gelb). Die Sparte kam als zweites hinzu. Wie der Name schon sagt, werden hier filme mit einem humoristischen und/oder satirischen Ansatz gezeigt.

3. Innovation/Experimental (fliederfarben). Hier laufen Filme, die entweder experimentell gestaltet sind oder (technisch, inhaltlich, filmisch, erzählerisch) eine Innovation bieten.

4. Deutschlandpremieren (türkisblau). Seit Kurzem gibt es auch die Sparte Deutschlandpremieren. Hier dürfen ohne thematische Einschränkungen alle Langfilme laufen, die bislang noch nicht in Deutschland zu sehen waren.

5. Gateways to the World (hellblaugrün). Hier dreht sich alles um Häfen oder Hafenbezug. Das kann auch mal eher metaphorisch sein.

6. Nachhaltigkeit (hellgrünblau). Filme, die den ökologischen Aspekt der Nachhaltigkeit in ihr Zentrum stellen oder diesen bewusst unterstützen.

Zudem gibt es die Retrospektive (rot).

Alle sechs Sparten zeigen Langfilme, haben aber auch – bis auf die Deutschlandpremieren – einen oder mehrere Kurzfilmblöcke. Und bis auf wiederum die Deutschlandpremieren – dort entscheidet das Publikum! -, werden in allen Sparten von einer Fachjury Preise verliehen. Plus ein Preis für „Global lokal“, d.h. Dokumentationen über die Region.

Dann gibt es noch zwei Kurzfilmwettbewerbe: „Klappe!“, bei dem in 48 Stunden ein Film konzipiert, gefilmt und geschnitten werden muss (Wettbewerb lief schon). Plus ein Kurzfilmwettbewerb, der von der Bremer Wirtschaftsförderung ausgeschrieben wird.

Dazu kommen noch einige Sonder- und Fachveranstaltungen.

Man sieht also: Die fünf Tage sind randvoll gepackt und alles kann man natürlich nicht ansehen. Was auch daran liegt, dass sich viel überschneidet und es keine einheitlichen Zeitblöcke gibt.

In diesem Jahr bin ich noch weitaus mehr beim Bremer Filmfest eingebunden, als ich es im Vorjahr schon war. Wie im letzten Jahr präsentieren Stefan und ich mit unserer monatlichen Filmreihe Weird Xperience wieder einen Film auf dem Filmfest. Diesmal ist es der Film „Innovation“ der in der Sparte „Innovation/Experimental“ läuft. Als Vorfilm haben wir „The Eggregores‘ Theory“ mit dabei. Ebenfalls aus der Sparte „Innovation/Experimental“. Das passt auch super, denn Stefan und ich waren Beide auch in der Sichtungskommission „Innovation/Experimental“ und haben im letzten halben Jahr unzählige Filme gesichtet und zusammen mit den anderen Mitgliedern konstruktiv und angenehm diskutiert, welche Filme in dieser Sparte auf dem Filmfest laufen sollen – und welche nicht. Da tat es manchmal weh, wenn ein toller Film keine Mehrheit fand oder einfach die Kriterien „Innovativ“ oder „Experimentell“ nicht erfüllte. Es hat aber unglaublich viel Spaß gemacht und war eine sehr interessante Erfahrung mit netten Menschen.

Daher kann ich hier auch ein Tipps geben, was sich aus meiner Sicht ganz besonders lohnt. Dabei beschränke ich mich mal auf die Langfilme (ich übernehme mal einfach die Inhaltsangaben aus dem Programmheft) und lasse die Kurzfilme mal außen vor – nicht aber ohne auf meinen Favoriten dort: „She Stays“ hinzuweisen, der im Kurzfilmblock „Wer oder was“ im Atlantis läuft.

In der Sparte „Humor & Satire

Horror Story – Hier habe ich die Ehre, die Q&A mit dem Regisseur Adrian Apanel zu moderieren. Darauf freue ich mich schon sehr, da ich ein großer Freund des osteuropäischen und dort vor allem des polnischen Kinos bin. Darum geht es: Der frischgebackene Hochschulabsolvent Tomek will unbedingt einen renommierten Job in einem Unternehmen ergattern, um seine Ex-Freundin zurückzubekommen. Auf der Suche nach Arbeit zieht er in ein billiges Zimmer eines Gebäudes, das stark an ein Gruselkabinett erinnert. Doch mit der Zeit merkt Tomek, dass der wahre Horror nicht das Haus oder seine bizarren Bewohner sind, sondern die Jobsuche selbst.

The Spin – Für mich als Musikfan und Vinyl-Liebhaber natürlich ein Muss. Inhalt: Elvis und Dermot besitzen einen kleinen Plattenladen in dem Dorf Omagh. Als ihre Vermieterin Sadie mit der Zwangsräumung droht, machen sie sich als letzte Rettung auf den Weg nach Cork, um eine unbezahlbare LP zu besorgen, die all ihre Probleme lösen könnte, zumindest solange alles nach Plan läuft. Der Roadtrip stellt ihre Beziehung auf die Probe, denn während Dermot mit einer gescheiterten Musikkarriere kämpft, sieht Elvis sich mit seinen Unsicherheiten konfrontiert. Die Reise durch die wunderschöne irische Landschaft ist ein Fest der Wärme, des sanften Humors, der Freundschaft und der Selbstfindung.

Dead Dead Full Dead – Den werde ich leider nicht im Kino sehen können, da er komplett außerhalb meiner Zeitplanung liegt. Sehr schade. Werde ich aber anderweitig nachholen. Era ist eine exzentrische Pseudo-Astrologin und Instagram-Influencerin. Sie wird tot in ihrer Wohnung in einem Hochhaus aufgefunden. Bei den Verdächtigen handelt es sich um Eras Ehemann, ihre Haushaltshilfe und eine neugierige Nachbarin. Zwei junge, inkompetente Polizist:innen sind als erstes am Tatort. Ein absurd-komischer „Whodunit-Krimi“, in welchem eine Ziege sich in ein Stofftier verwandelt, ein Mann telekinetische Kräfte hat, die Tote nicht nur einmal stirbt, vor dem Fenster eine riesige Mondfinsternis stattfindet und ein Mann von einem anderen Planeten beobachtet, wie sich das Mordrätsel langsam entfaltet.

In der Sparte „Innovation/Experimentelles“ (wo ich alle Beiträge schon sehen konnte)

Invention – Diesen Film präsentieren Stefan und ich unserer Reihe Weird Xperience. Dazu haben wir hier auch schon einiges angekündigt. INVENTION ist eine Zusammenarbeit zwischen der Regisseurin Courtney Stephens und der Schauspielerin und Filmemacherin Callie Hernandez. Der Film fiktionalisiert die Nachwirkungen des Todes von Callies Vater anhand eines realen Archivs verschiedener Fernsehauftritte, in denen er als Heilpraktiker zwischen Ende der 90er Jahre und 2020 auftrat. Die fiktive Handlung dreht sich um das Patent für ein experimentelles Heilgerät, welches das einzige Erbe der Tochter ist. Der Film ist ein Porträt des derzeitigen Amerikas, in dem die weit verbreitete Enttäuschung die Kultur mit hoffnungsvollen Fiktionen und giftiger Nostalgie tränkt.

Olivia & the Clouds – Wunderbarer experimenteller Animationsfilm. Ein Favorit der Sichtungskommission. Und das zurecht! Olivia, die von einer früheren Beziehung geplagt wird, versteckt diese unter ihrem Bett. Mit diesem Geist der Vergangenheit tauscht sie Blumen gegen tröstliche Regenwolken. Barbara, die von Mauricio abgewiesen wurde, entflieht der Realität durch fantastische Geschichten. Mauricio, der voller Reue ist, wird von der Erde verschluckt. Ramón, der in Olivia verliebt ist, wird Zeuge des Gedeihens einer seltsamen Pflanze, die Olivia ähnelt. Mit surrealen Elementen erforscht „Olivia & the Clouds“ die anhaltende Wirkung der Erinnerung an die Liebe.

Martin liest den Koran –  Hatte bereits einen Kinostart im November, aber nicht in Bremen und Umgebung. Hatte ich mir nicht viel von versprochen, bin dann aber schwer begeistert gewesen. Tipp! Martin hat erst vor einem Jahr sein Studium des Islams begonnen und besucht nun einen Professor für Islamwissenschaften, um ihm von seinem bereits vorbereiteten Terroranschlag zu erzählen. Denn Martin ist der Meinung, dass seine Aktion durchaus den Regeln des Koran folgt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt: Kann der Professor Martin soweit überzeugen, dass der Koran klar verbietet, Menschen zu töten? Wenn nicht, dann wird Martins Bombe folgerichtig sehr viele Menschen töten. Aber hat Martin den Professor wirklich nur aufgesucht, um den Rat eines „weisen Mannes“ einzuholen oder verbirgt sich etwas anderes hinter dem unangekündigten Besuch?

Dreaming & Dying – Auch den mochte ich sehr gerne und bin froh, dass er es bis ins Festival geschafft hat. Drei Freund:innen (Anmerkung: Zwei Männer und eine Frau – nicht ganz unwichtig für die Handlung)  mittleren Alters treffen sich zum ersten Mal seit Jahren wieder. Jede:r von ihnen möchte unausgesprochene Gefühle gestehen, doch ihr gemeinsamer Urlaub nimmt eine überraschende Wendung, als die Schatten ihrer Vergangenheit drohen, wieder ans Licht zu kommen.

In der Sparte „Bremen und Umzu

Jenseits der Schuld – Finde ich thematisch spannend und werde mir die Doku wohl anschauen. Auch, wenn das als Elternteil sicherlich emotional schwierig wird. „Jenseits von Schuld“ erzählt die Geschichte von Ulla und Didi Högel, deren Sohn Niels als Krankenpfleger vermutlich hunderte Menschen tötete und für 87 Morde verurteilt wurde. Die Schuld ihres Sohnes hat ihr Leben unwiderruflich verändert. Trotz aller Fragen, die sie quälen, müssen sie lernen, mit der ständigen öffentlichen Aufmerksamkeit umzugehen: Prozesse, TV-Serien, Artikel – immer wieder wird ihr Familienleben thematisiert. Sie halten zu ihrem Sohn, doch Zweifel bleiben: Können sie ihm vertrauen? Alle Medien berichten, er sei manipulativ. In diesem extremen Spannungsfeld kämpfen die Högels täglich mit dieser Last und stoßen als Eltern, Paar und Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

In der Sparte „Deutschlandpremieren“

Somnium – Hier bin ich sehr gespannt. Der Film, an denen ich die höchsten Erwartungen habe. Mal sehen, ob er sie einhält. Nach einer schmerzhaften Trennung zieht Gemma von einer Kleinstadt nach Los Angeles, in der Hoffnung, groß rauszukommen. Um sich finanziell über Wasser zu halten, nimmt sie einen Job in der Nachtschicht bei Somnium an – einer mysteriösen, experimentellen Schlafklinik, in der Träume wahr werden. Währenddessen stürzt sich Gemma in die halsabschneiderische Welt der Hollywood-Castings. Doch als der Erfolgsdruck steigt, beginnt sie, seltsame und beunruhigende Phänomene zu erleben, und findet sich bald in einer albtraumhaften Spirale wieder, als sie dunkle Geheimnisse entdeckt, die hinter den Mauern der Klinik lauern.

My Killer Buddy – Auch hier bin ich gespannt. Die Handlung liest sich jedenfalls sehr gut. Denni ist ein zehnjähriger Junge, der einen Auftrag zu erfüllen hat: Er muss seine Mutter vor der Gewalt seines Vaters retten. Aber er ist zu klein, um das allein zu schaffen und bittet jemanden um Hilfe, der von Beruf aus Menschen tötet: einen Superkiller. Leider ist der Superkiller, auf den er trifft, Secco, der lediglich den grimmigen Blick eines Kriminellen hat und vor allem dringend Geld braucht. Die Begegnung zwischen Denni und Secco führt zu einem unerwarteten Abenteuer, in dem sich beide mit der Bedeutung des Mannsein auseinandersetzen müssen. Beide eint dabei die Furcht vor der mysteriösen Verbindung zwischen Vätern und Söhnen.

In der Sparte „Gateways to the World“

Praia Fomosa – Der Film war auch bei „Innovation“ eingereicht, daher konnte ich ihn bereits sehen. Ein sehr stiller, surrealer Film, auf den man sich einlassen muss. Den Bezug zu „Häfen“ sehe ich eher nicht, aber wird schon passen. Muanza ist eine Frau, die im Königreich Kongo geboren und im frühen 19. Jahrhundert nach Brasilien verschleppt wurde. Als sie im Jahr 2023 aus einem tiefen Schlaf erwacht, findet sie sich in einem zeitverdrehten Rio de Janeiro wieder, in dem Figuren aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart gemeinsam Teil ihrer Suche nach ihren Wurzeln durch die Stadt sind. Praia Formosa vermischt fiktive Geschichten und dokumentierte Charaktere, historische Fakten und spekulative Fabulation. Durch die Verflechtung von Zeit und Ästhetik thematisiert der Film das alltägliche Leben der Stadt, den Kampf gegen die erzwungene Deterritorialisierung und die Affekte, welche die Schwesternschaftsbande aufrechterhalten.

Flow – Der Oscar-Gewinner. Und dies 100% verdient. Läuft derzeit auch regulär in den Kinos, wo ich ihn mit der ganzen Familie geschaut habe. Und alle waren begeistert. Muss man meiner Meinung nach auch auf der großen Leinwand sehen. Große Liebe! Häfen sehe ich auch hier keine, aber mit viel gutem Willen geht das schon. Kaum hat sich die kleine schwarze Katze den Schlaf aus den Augen gerieben, muss sie erschrocken feststellen, dass eine gewaltige Flut die alte Welt unter sich begräbt. Gerade noch so rettet sie sich auf ein Segelboot, wo nach und nach auch ein diebisches Äffchen, ein gutmütiger Labrador, ein schläfriges Wasserschwein und ein stolzer Sekretärvogel Zuflucht finden. Schon bald wird klar: Ihre Diversität ist ihre Stärke und gemeinsam stellen sie sich den Herausforderungen der neuen Welt.

 

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